Ich habe lange überlegt, was man so als ersten Eintrag in einem Blog schreiben kann. Willkommen? Nein, zu trivial. Hier soll es um Alltagsgedanken und die Philosophie dahinter gehen.
Also ist mir erstmal nur der bekannte Satz von Meister Röhrich aus den bekannten Werner-Comics eingefallen. Und der passt auch ganz gut in die Beobachtungen, die man so hier bei seinen Spaziergängen durch den Kiez macht.
Wir wohnen im Prenzlauer Berg, dem mittlerweile gentrifizierten Teil des jetzigen Großbezirks Pankow, der nur deshalb so heißt, weil Pankow noch vor Prenzlauer Berg und Weissensee im Alphabet steht. Und nein, wir wohnen da nicht erst seit dem Einfall der Schwaben in Berlin oder der Invasion der jungen Amerikaner und Briten in diesen Stadtteil. Aber genau diese Änderungen und die zusätzlich in den letzten Jahren hinzugezogenen woken Grünwähler (grammatikalischen Maskulinum, keine genderspezifische Wertung: gewöhnt euch dran) haben zu einer gefühlten Vermüllung des Kiezes geführt.
Ich will jetzt unsere Zugezogenen erstmal nicht unter Generalverdacht stellen, der Gedanke selbst kann einem dabei aber schon kommen.
Es gibt hier im Abstand von 1000m keine Ecke, kein Vorbeet, kein Hauseingang, kein Parterre-Fenster mit Jalousie, in dem nicht ein Karton steht, auf dem zu lesen ist: „Zu Verschenken“. Ok, im Grundsatz ist das ja ein löblicher Gedanke. Hier kann man prima seine abgelegten Sachen entsorgen. Tatsächlich sind diese Sachen auch nicht wirklich Müll, wie oben zu sehen. Und bei der Betrachtung des Stilllebens dieser Art frage ich mich manchmal auch, wer stellt denn so etwas dahin?
Na gut, das ist ein jetzt mal sortierter Gebrauchtwarenmarkt, der sicher den einen oder anderen Liebhaber finden wird.
Beim nächsten Überraschungskarton kann ich mich dann aber nur fragen, was denn da zu verschenken wäre? Die Plastiktüte eines bekannten Diskounters? Ach ja, diese Art von Tüten sind, so meine ich mich erinnern zu können, seit Anfang 2022 verboten, dann kann das ja also nur Antik sein.
Da dieser auch noch vor einer Schule zu finden war, hätte diese Kiste mit diesem Inhalt sicherlich einem ökologisch fundierten Unterricht dienen können. Nur bin ich mir sicher, dass da den Lehrern und den Angehörigen (Eltern und Schüler) eher der Verschmutzungsaspekt ein Anliegen sein dürfte, als hier tütentechnisch eine Weiterbildung für ihre Sprösslinge und Schutzbefohlenen zu starten.
Keine 20 Meter weiter, gleiche Schule, gleicher Tag, nur um die Ecke. Wieder ein Karton, diesmal: Schuhe, Glas mit Korken und unidentifizierte Klamotten. Und da kann einem schon nichts mehr einfallen.
Andere Straße, ähnliches Bild. Man biegt um die Ecke und kann von der Ferne schon zwei verdächtige Kartons entdecken. Wieder der Ü-Ei-Effekt: Spannung, Spiel und, nein, keine Schokolade. Eher Ärger und Frust über die Fire-and-Forget-Methoden der Gedankenlosen. Aus dem Auge, aus dem Sinn.
Na schauen wir mal: Kiste eins, flach, offen, schön sortiert:
Ein Glas, ok, da könnte man was mit anfangen. Das zweite, ein Etui für Billen, Taucherbrillen, Staubschutzbrillen? Oder sollte das selbst eine Schutzbrille sein? Hier hätte er Privat-Entsorger eventuell eine Beschreibung für den potenziellen Müllverwerter hinterlassen können. Und auch der Zweck des roten Teils hat sich mir beim ersten Hinschauen nicht erschlossen. Na gut, selbst jetzt, wenn ich das Bild betrachte (und das wäre dann das n’ten Hinschauen), weiß ich nicht, was das ist. Ein Rucksack, ein Kosmetik-Täschchen? Kein Ahnung.
Die beiden letzten Teile: EIN, nein, nicht zwei, ein Badeschlappen und ein Stapel Einweg-Schüsseln. Über den Badeschlappen kann man jetzt noch diverse philosophische Gedanken fließen lassen, aber Einweg-Schüsseln aus labilem Plastik?
Ernsthaft: Nicht, dass Einweggeschirr schon seit geraumer Zeit auf dem Index steht, welche weitere Verwendung hat denn der Bereitsteller vorgesehen? Für die nächste Party? Es macht ja nix, wenn das schon mal draußen stand: kann man ja vorher noch mal in Geschirrspüler schmeißen, frei nach Meister Röhrich: „Das ist doch noch gut…“. Ich weiß nicht, ob ich davon essen möchte.
Den Inhalt von Kiste zwei muss ich euch leider vorenthalten, denn hier hatten sich wahrscheinlich diverse Interessenten für den offensichtlich doch noch brauchbaren Inhalt gezeigt.
Es kann natürlich auch sein, dass der Inhalt, wie vieles, wenn es einfach auf der Straße liegt, als Fußball-Ersatz herhalten musste. Wer weiß.
Ich kann hier nur für mich das Fazit ziehen: Diese Kiste ist, wie alles andere, ein „Aus-dem-Gesichtsfeld“-Objekt geworden. Denn anstelle sich dann ab und an mal den Inhalt anzuschauen und bei einem leeren Behältnis selbiges dem Recycling-Kreislauf zurück zu führen, liegt diese weiterhin an Ort und Stelle und wartet auf die Abholung durch die orangen Männer.
Und weiter durch unseren Kiez. Wieder eine Kiste, wieder angeblich noch brauchbare Klamotten.
Diese Kiste beobachte ich tatsächlich schon eine ganze Weile. Sie bewegt sich mal nach links oder rechts, der Inhalt ist aber mit gleichbleibend vermurksten Klamotten gefüllt. Und nicht nur, dass die Kiste auf dem Gehweg steht, nein, bietet sie auch noch den handygaffenden und leinenzwang ignorierenden städtischen Zweibeinern einen Markierungspunkt für ihre vierbeinigen Lieblinge. Das macht die Auswahl der Second Hand Ware doch gleich viel aromatischer.
Das Highlight der Tour ist allerdings keine Kiste, sondern gleich eine ganze Ecke. Irgendwann mal angefangen, hier wirklich brauchbare Sachen im Kiez auszutauschen, ist das jetzt zu einer totalen Müllhalde verkommen.
Ich könnte jetzt hier wirklich jeden Tag, morgens und abends, je ein Bild machen, dieser Anblick ist nie der gleiche und böte mit Sicherheit ein Studienobjekt der Anthropologen über das Konsumverhalten und den Überfluss der modernen Gesellschaft.
Das ist aber nicht nur auf den Kiez im Prenzlauer Berg beschränkt. Was mich hier aber am meisten ärgert: Denkt der Verursacher denn auch mal über sein Verhalten nach? Denn die erste Frage, die man sich doch immer stellen muss, ist: Würde ich diese Sachen aus einer Kiste nehmen? Allein, wenn diese Frage mit einem Nein beantwortet wird, dann muss man seine Sachen doch nicht auf den Bürgersteig stellen.
Allein hier im Umkreis von 1000 m (vielleicht auch ein bisschen mehr) gibt es mindestens zwei Organisationen, die sich, wenn man sich bei ihnen erkundigt, über abgelegte Klamotten freuen würden: Die Kleiderkammer des Franziskaner Klosters in Pankow und Oxfam. Hier müsste man sich mit seinen Sachen aber hinbewegen. Und das setzt aber Organisationstalent voraus, denn neben der Öffnungszeiten der Orte ist da natürlich auch der Geh- oder Fahrradweg, der da zu berücksichtigen ist. Fällt schwer, wenn man sich dafür von seinem Coffee-Shop und dem kostenlosen WLAN entfernen müsste. Dafür landen die Sachen dann aber a) entweder bei wirklich Bedürftigen oder b) bei kaufkräftiger Klientel, die wiederum mit ihrem Geld Bedürftige unterstützen.
Im Gegenzug kann man sich sicher sein: wenn beide die Klamotten (Oxfam nimmt übrigens nicht nur Klamotten als Spende an) nicht nehmen, dann ist das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wirklich Müll, was da im Karton ist. Bleibt also noch der BSR-Müllhof mit dem Kleidercontainer (auch in diesem Umkreis) oder die Mülltonne. Das scheint aber dem woken Spendengeist der kaufkräftigen Erstverwender zu widerstreben.
Und was mich danach noch weiterhin nervt, ist die Gedankenlosigkeit, mit der offenbar alle diesen Umstand in Kauf nehmen. Hier schiebt man die Restentsorgung den Kollegen der BSR zu, denn die werden ja dafür bezahlt.
Und damit schließt sich dann wieder der Kreis: Och nöö, tut dat not?
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